Die besondere Markengeschichte
Ingvar Kamprad aus Elmtarysd in Agunnaryd
JEDESMAL
WENN ICH DORT BIN, schwöre ich mir, ich gehe nie
wieder hin. Wenn ich dort war, schäme ich mich. Ich
schäme mich, weil ich ohne nicht sein kann, weil
es Tage gibt, wo ich am Morgen schon spüre, ich muß
wieder hin. Und dann gehe ich wieder hin. Es ist eine
unbestimmbare Lust, die mich immer wieder hinzieht. Die
Lust davor, die danach schal und abgestanden ist. Ich
bin schon den ganzen Tag aufgeregt, zittrig, bis ich endlich
dort bin. Und nie ist es die wirkliche Befriedigung, immer
bleibt ein bitterer Beigeschmack. Seltsamerweise weiß
ich nicht mehr genau, wann ich das erste Mal hingegangen
bin. Es muß um 1975 herum gewesen sein, kurz nach
der Trennung von meiner ersten Frau. Ich war damals sehr
allein, um nicht zu sagen einsam. Ich wollte mich öffnen,
mich neuen Abenteuern aussetzen, wie auch immer. Ich wollte
raus. Raus aus diesen selbstgebauten Puppenstuben der
ersten Verliebtheit. Jedenfalls ist es mir seit damals
nicht gelungen, darauf zu verzichten. Immer wieder zieht
es mich hin. Und das Schlimmste ist, wenn ich dann auch
noch jemanden treffe, den ich kenne. Schnell versucht
man noch wegzusehen, sich zu verstecken, zieht den Kopf
tief in den Mantel. Manchmal ist es zu spät. Und
man merkt, daß es dem anderen ebenso peinlich ist,
hier gesehen zu werden. Auch ihn trieb irgendeine Sehnsucht
her. Neulich traf ich dort einen alten Bekannten, einen
Filmarchitekten.
»Du
hier?«
»Und du?«
So unser leicht verklemmtes Begrüßungsritual.
»Ich statte doch jetzt diese TV-Soap-Geschichten
aus dusselige Familienserien , wie soll ich
die anders einrichten als mit IKEA? Aber was machst du
hier?«
»Recherche.«
»Ach was? Und wofür?«
»Och, weißt du, ich wollte einfach
einmal über das Phänomen als solches schreiben.
Ist einem ja ganz fremd. Hat man ja normalerweise nichts
damit zu tun. Heute dachte ich, schaust du dir das mal
an.«
Er nickte, lächtelte etwas schief,
und ging in die Fundgrube.
Ich weiß nicht, wann ich das erste
Mal bei IKEA war. Da IKEA 1974 nach Deutschland kam und
in unmittelbarer Nähe meines Heimatortes in Eching
bei München seinen ersten Laden aufmachte, muß
es in der Zeit gewesen sein. Wie gesagt, nach der Trennung
von meiner ersten Frau jedenfalls.
Ich glaube, mich faszinierte damals die
Konzeption, die Idee, die eine Broschüre des Hauses
so zusammenfaßt:
»IKEA! Die Firma, die die Idee hat,
daß sich jeder nach seinem Geschmack einrichtet,
nicht nach seinem Geldbeutel. Die Menschen suchen sich
bei IKEA ihre Möbel selbst aus! Sie transportieren
sie selbst heim. Sie bauen sie selbst auf.«
Das ist es: das Selbstaufbauen, das teilweise
so simpel ist, daß es den Menschen, denen es gelungen
ist, ihr Regal, ihre Kommode, ihren Sekretär selbst
zusammenzuschrauben, das Gefühl gibt, sie haben etwas
Handwerkliches geleistet. Das befriedigt sie, das macht
sie stolz, daß läßt über mangelnde
Qualität des Möbels hinwegsehen, denn irgendwie
ist es ja was Selbstgemachtes, und das darf ja Mängel
haben.
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Elke Heidenreich / Bernd Schroeder,
Rudernde Hunde, Geschichten
© 2002 Carl Hanser Verlag, München - Wien