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Markenkunst von Jens Lorenzen
Anfang der sechziger Jahre revolutionierte
Andy Warhol die herrschende Vorstellung von dem, was Kunst
sein könne, durch Aneignung von Motiven aus der modernen
Alltagswelt. Diese erhob er in den Rang von Idolen und Ikonen.
Eine Methode bestand darin, Einzelszenen eines Comics zu
isolieren, um auf stattlicher Leinwandgröße zum
Beispiel Superman einen Waldbrand ausblasen zu lassen, mit
einem lautmalerischen "PUFF!" in gemalten Riesenlettern.
Eine andere Methode sah vor, Plakatreklame für
Marken wie Pepsi-Cola in pure Malerei zu übertragen.
[...]
Seitdem haben sich immer wieder Künstler mit überwiegend
lauter Bildsprache, aber unterkühlter Distanz dem Reiz
des Trivialen ergeben, den Blick auf banale Konsum-objekte,
die sonst nur nach ihrem Gebrauchswert beurteilt werden,
gelenkt. [...]
[Lorenzen] bezieht Markenprodukte in seine Arbeiten ein,
jongliert mit ihrem Wiederer-kennungswert, von Afri-Cola
bis Jägermeister,
von Chiquita
bis Uncle Ben's,
von Gitanes bis Lucky
Strike. Aber er meint nicht die Ware selbst, sondern
deren "Image". Und sein Anspruch erschöpft
sich nicht in oberflächlicher Ästhetisierung.
Er untersucht das Verhältnis zwischen Kunst und Illusion,
um den Titel eines Buches
von Ernst Gombrich zu bemühen. Die Omnipräsenz
von Marken in der Realität wie in
den Medien führt dazu, dass der Betrachter trotz der
vom Künstler vorgenommenen Verschleierung diese sofort
identifiziert, so, wie er gelernt hat, dies schon nach
wenigen Sekunden der Ausstrahlung eines Werbeclips zu tun.
Lorenzen belässt es
aber nicht bei Bilderrätseln, sondern er individualisiert
den Massenartikel, verleiht ihm gewissermaßen eine
Seele, eine - oft morbide - Aura, indem er jeglicher seriellen
Reproduktion wie Auflagenobjekten den schöpferischen
Akt der Malerei entgegen
setzt. Vor allem ist er um eine nobilitierende Wirkung bemüht,
indem er den Eindruck erweckt, es handele sich bei dem,
was er zeigt, um freigelegte Wandmalerei. Tech-
nisch gesehen handelt es sich um eine Vielzahl von Malschichten
mit eincollagierten Zeitungsschnipseln und Leinenflicken,
wobei Abkratzen und Übermalen partielle Verdichtungen
und eine pastose Struktur erzeugen. [...]
Lorenzens Ikonographie ist, wie angedeutet und im Zeitalter
totaler, jederzeit und über-
all verfügbarer Bildwelten nahe liegend, global ausgerichtet,
mit der Basis Deutschland und Präferenzen in Richtung
USA, an zweiter Stelle Russland und schließlich Japan.
Es ist sicher kein Zufall, dass er sich nach seinem Studium
Berlin als den Ort ausge-
sucht hat, von dem aus er operiert, ohne reisen zu müssen.
Ihn reizte der spröde Charme, die lange sichtbaren
Kriegswunden, die historischen Schichtungen, die Brandmauern
mit ihren verblassenden Reklamen entlang der Bahngleise,
die Lage
als Drehscheibe zwischen West und Ost. [...]
Auszug aus der Rede von Dr. Dominik Bartmann zur Ausstellung
"Real"
von Jens Lorenzen im Museum Ephraim-Palais am 23. Juni 2004
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